Ich war viel zu früh in der Uni angekommen und so war der Vorlesungsraum noch leer. Ich ließ mich dann auf meinen Platz in der ersten Reihe fallen und kramte in meiner Tasche, bis ich mein Notizheft gefunden hatte und kritzelte halb in Gedanken versunken hinein. Irgendwie vermisste ich meinen alten Professor vom letzten Semester, der immer ein paar Minuten früher kam, gut gelaunt und mit witzigen Geschichten aus seinem Leben geladen. Unser neuer Lehrer war... Merkwürdig. Definition Jung, wahrscheinlich selber erst frisch aus der Uni, meistens zu spät oder gerade so pünktlich und mit Vorlesungen, die nicht unterschiedlicher hätten sein können. Ich konnte ihn nicht leiden, auch wenn ich ihn nicht wirklich kannte. Aber er war nun mal mein Lehrer.

Nach und nach füllte sich der Raum, ich sah aber erst so wirklich auf, als ich unseren Professor hörte. Der natürlich zu spät kam. Ich verdrehte die Augen und schloss widerwillig mein Notizheft, bevor ich meinen block hervor holte und nach vorne sah. Ich unterdrückte es, ein weiteres mal meine Augen zu verdrehen, als ich ihn sah. Manchmal erinnerte er mich an einen fünfjährigen, irgendwie brachte er mein Blut zum kochen. Ich seufzte dann, als er dann die Referate erwähnte und so zog ich lustlos meine Zettel hervor. Und natürlich musste genau ich anfangen. "Ms. Cumberland" verbesserte ich ihn leise, war mir aber fast sicher, dass er das trotzdem gehört hatte. Aber ich war vorbereitet und eine der besten Studentinnen, also wusste ich ganz genau, was ich sagen musste. Ich warf Prof. Crow noch einen Blick zu, bevor ich mein Referat vorstellte. Ich war es mehrmals mit Vici durchgegangen und ich wusste, dass es verdammt gut war. Zufrieden ließ ich mich danach auf meinen Platz fallen.

Ich sah ihm an, dass es ihm nicht gefiel, aber das war mir doch egal. Ich hatte das Recht darauf, richtig angesprochen zu werden und konnte ihn korrigieren, wie ich wollte. Auch wenn es sich nur um eine Kleinigkeit handelte und ich bei anderen sicher nichts gesagt hatte, bei ihm konnte ich es nicht lassen.
Mir war schon bewusst, dass ich sehr gut war und sicher einer der besten. Aber mir merkte man das nur an, da ich selbstbewusst war und wusste, von was ich redete, ich war keiner, der damit angab oder versuchte, sich als besser als andere darzustellen.
Als ich fertig war, sah ich ihn erwartend an und lächelte dann leicht, doch dann stockte ich. Was? Nein ganz sicher nicht. Ich war mein Referat mehrmals durchgegangen, es wäre mir doch aufgefallen, wenn ich was vergessen hätte. "Als ob" murmelte ich dann leise, als ich an ihm vorbei zurück zu meinem Platz ging, aber so leise, dass es außer ihm keiner hören konnte. Er war doch nur sauer, weil ich verbessert hatte. Natürlich verschränkte ich meine Arme und ich hatte keine Lust, mich mit ihm darüber zu unterhalten. Wozu auch? Bei den anderen Referaten hörte ich nur halbherzig zu und kritzelte lieber Karikaturen von Prof. Crow auf mein Block.

Das er mich unfair behandelte konnte ich klar und deutlich merken. Und vielleicht war ich daran selber Schuld, immerhin war ich auch nicht sonderlich nett zu ihm, aber trotzdem war das nicht richtig. Er war der Lehrer, er sollte professionell sein. Aber da er das anscheinend nicht konnte, bestätigte er damit nur meine Meinung von ihm. Ich ließ mir mein Ärger nicht anmerken, als er die anderen Referate nicht kritisierte, obwohl einige davon echt nicht mal mehr gut waren, geschweige denn sehr gut. Wie alt war er eigentlich, fünf?
Erleichtert seufzte ich dann auf, als er meinte, wir könnten unsere Sachen zusammen packen. Ich schob alles in meine Tasche und verdrehte dann erneut die Augen. Zum wiederholten Male, nur wegen ihm. Wie ich mich immer freute, ihn zu sehen. Nachdem ich mich von ein paar anderen verabschiedet hatte, griff ich auch noch nach meiner Jacke, schmiss mir meine Tasche über die Schulter und ging dann auf Prof. Crow zu. Mit verschränkten Armen blieb ich dann vor ihm stehen. Ok, ich benahm mich nicht gerade erwachsen, aber sein Verhalten war noch kindischer als meins. "Sie wollten mit mir reden, Professor Crowß" fragte ich dann zuckersüß, der Sarkasmus für jeden, der mich etwas kannte, mehr als nur deutlich.

Ich sah ihn dann erwartungsvoll an, nur um laut loslachen zu wollen. War das jetzt sein ernst? "Was los mit mir ist?" fragte ich entgeistert. "Was wollen sie denn wissen? Das meine beste Freundin noch nicht auf meine eeecht wichtige Nachricht geantwortet hat? Das meine Eltern mir zu wenig Geld geben? Meine Schwester zu langweilig ist oder mein Freund nie genug zuhört?" meine Worte trieften nur von Sarkasmus und ich lachte dann leise auf. "Respekt habe ich vor Lehrern, die sich wie Lehrer benehmen. Wenn sie das schaffen würden, würde ich auch Respekt aufbringen können. Und wenn ich bei all meinen ersten Stellen irgendwo so wenig Kompetenz aufbringen würde, dann würde mich dort auch keiner respektieren" sagte ich dann, doch diesmal ohne Sarkasmus. Vielleicht verstand er das ja sonst nicht. "Es ist ein Unterschied, ob ich mich kindisch verhalte, in dem ich die Augen verdrehe und unangebrachte Kommentare mache, oder ob sie unprofessionell sind und mich absichtlich schlechter bewerten und behandeln, nur weil sie eine persönliche Abneigung gegen mich haben. Das ist sogar nicht erlaubt, wissen sie das? Sollten sie." Ihm war ja wohl klar, wer meine Familie war. Jeder hier in Oxford kannte meine Familie und Vicis Anwaltskanzlei war eine der bekanntesten und einflussreichsten. Ich könnte ihm mit einem kleinen Gespräch mit meiner Schwester zerstören, wenn ich wollte.
"Eine Lösung, um dies zu ändern? Sie könnten ihre Unprofessionalität beseitigen, pünktlich kommen, vorbereitet, mit Unterichtsmaterial war über Wikipedia Artikel und Buchmaterial hinausgeht, denn dafür brauch man Sie nicht, dass kann man sich selber rauslesen. Ich will jetzt nicht noch mehr aufzählen, immerhin will ich jetzt hier nicht ewig stehen. Aber wenn sie das schaffen, dann bringe ich hier auch den Respekt und die Arbeitshaltung mit, die sie sich wünschen und unser Problem ist gelöst." Ich hatte keine Lust mehr darauf, mich ständig mit ihm zu streiten, schon gar nicht während den Vorlesungen. Ich war mich sicher, das er das ganze besser konnte, immerhin schien er nicht dumm zu sein. Aber trotzdem, selbst wenn er professioneller wäre, würde er mich immer noch auf die Palme bringen, da war ich mir sicher. Da war einfach diese elektrische Spannung zwischen uns.

Ich achtete nicht sonderlich darauf, als er etwas aus seiner Tasche holte. Eigentlich war mir das hier nämlich egal. Wenn dieser Kurs für meinen Abschluss nicht so wichtig wäre, wie er es nun mal war, hätte ich das ganze schon abgeschrieben. Ich nickte, als er mir Recht gab, doch dann musste ich ein sarkastisches Lachen unterdrücken. Ja sicher, genau. "Das ergibt überhaupt keinen Sinn, wissen Sie das eigentlich?" AM liebsten würde ich ihm am Kragen packen und .. schütteln. Genau. Das, nichts anderes. Er frustrierte mich und brachte mich auf 180, wie kein anderer. Dabei war sein Unterricht gar nicht sooo grotten schlecht. "Ok hören Sie, ja, sie beschränken sich nicht nur auf unsere Bücher, aber das was sie dazu nehmen ist nicht Fortgeschrittenen-Niveau. Die letzten Bücher, die sie den offiziellen hinzugefügt haben, kannte jeder schon. Vielleicht bin ich von dem Professor vor ihnen auch einfach nur mehr gewöhnt." erwiderte ich dann etwas ruhiger, als ich mir durch meine Haare fuhr, nachdem ich meinen Zopf gelöst hatte.
Ich wollte eigenlich erneut die Augen verdrehen, doch als er mir die LIste in die Hand drückte, unterdrückte ich es mir und sah ihn stattdessen kurz skeptisch an, bevor ich die Liste überflog. Und er hatte wirklich Recht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Wortlos gab ich ihm die Liste zurück. "Sie sind hier aber der Lehrer" merkte ich nur an. Hätte ich nicht gemacht, wenn er mich nicht seine Liebe genannt hätte. "Und da sie weder mit mir verwand sind noch mit mir schlafen, sollten sie mich auch nicht so nennen" fügte ich dann noch hinzu.
Dann nickte ich, sogar einigermaßen Zufrieden mit dem Ergebnis. "Vielen Dank. Werde ich" Ich grinste sogar leicht, aber nur leicht. NIcht weil ich ihn mehr mochte, weil in meinen Augen dies ein Gewinn für mich war.
Ich sah ihn für ein paar Sekunden ausdruckslos an. Ein Kaffee trinken? War das sein Ernst? Eigentlich hätte ich jetzt sonst glatt raus "auf keinen Fall" gesagt, aber wir waren gerade auf ein gemeinsamen Nenner gekommen und ich hatte das Gefühl, jetzt abzulehnen würde das ganze noch viel schwerer machen. "Gut. Aber ich trink nur Tee. " meinte ich dann.

Ich sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Seinem ersten Satz konnte man ja nicht leugnen, aber das danach.. "Naja, wenn Sie meinen" Ich fand es eigentlich schon ganz super, wenn irgendwas logisch war. Und Sinn ergab, Sinn war gut, jedenfalls für mich. Ich sah sein lächeln und auch wenn ich selber nicht zurück lächelte, war ich jetzt nicht mehr so ganz angespannt. Naja, Spannung gab es immerhin zwischen uns beiden genug, da brauchte ich nicht noch selbst Spannung in mir drinne.
Ich war aber wirklich froh, dass er meine Anmerkungen nicht sofort abtat. Immerhin hoffe ich auf qualitativ hochwertigen und anspruchsvollen Unterricht. "Ich kann verstehen, dass das nicht so ganz einfach ist - neuer Job und dann auch noch so große Fußstapfen zu füllen, aber ich bin auch der Meinung, dass sie das mit ein bisschen Anstrengung und ein bisschen mehr Disziplin und Ordnung ganz gut hinbekommen würden" Oh Gott, das war ja schon fast ein Kompliment. "Vielleicht" fügte ich deshalb noch schnell hinzu.
"Vielen Dank" meinte ich dann, obwohl Lena auch fine gewesen wäre. "Ich kann meinen Tee sehr wohl selber bezahlen, wissen Sie?" erwiderte ich, nur leicht sarkastisch, während ich meine Tasche höher schob und richtung Tür deutete. Wenn er was trinken wollte, dann aber jetzt und nicht erst in zehn stunden.

Ich sah ihn wartend an, als er sich die Tasche auf die Schulter schob und ging schon mal ein bisschen in Richtung Tür. Ich überlegte ein paar Sekunden über seine Worte, bevor ich mit den Schultern zuckte und dann nickte. "Ok. Wenn Sie darauf bestehen" warf ich ein, schaffte es aber nicht, ein kleines Lächeln aus meinem Gesicht zu halten. Mhh. Vielleicht war er ja gar nicht so ein schlechter Typ. Mögen tat ich ihn trotzdem noch nicht.
Ich folgte ihm zur Tür und ging dann mit einem leisen "Danke" hindurch, bevor ich links in den Gang bog. "Café Nancy ok?" fragte ich ihn, denn ich würde sicher nicht auf dem Campus bleiben, um mit meinem Professor einen Kaffee trinken zu gehen. Schon gar nicht mit ihm. Aber das Café Nancy war nicht weit weg und er kannte es sicher, jedoch wären auch nicht so viele bis zu keine Studenten dort. Jedenfalls nicht zu dieser Zeit.